Ein Wirtschaftspapier von Finanzminister Christian Lindner droht zum Koalitionsbrecher zu geraten. Doch was steht eigentlich drin? Und vor allem: Wird der Fachkräftemangel erwähnt?!
Lindners Papier liest sich eigentlich wie ein FDP-Klassiker.
- Weniger Unternehmenssteuern? Check ✅
- Eine lockerere Klimapolitik mit Fokus auf den Zertifikatehandel? Check ✅
- Weniger Subventionen und staatliche Einmischung in die Wirtschaft? Check ✅
- Die unkontrollierten Anstieg der Rentenkosten kontrollieren? Che… naja, ein klitzekleines bisschen, aber so ganz traut sich das keine Partei ❌
- Ein strengeres Bürgergeld? Check ✅
Und der Fachkräftemangel? Findet zumindest ein kleines bisschen Erwähnung.
Erstens, im Faktor Bürgergeld. Lindner argumentiert ausdrücklich, dass ein strengeres Bürgergeld mehr Arbeitsangebot bedeutet.
Das stimmt natürlich: Wenn Nichtarbeiten strenger sanktioniert oder weniger kompensiert wird, steigen die Anreize, zu arbeiten. Klar, klar: Nicht jeder kann zu jedem Zeitpunkt arbeiten. Aber dass unter den Bürgergeldbeziehern nicht noch richtig viel Arbeitspotenzial steckt, kann mir keiner erzählen.
Zweitens, Lindner will die Arbeitszeitregelungen reformieren lassen. Eine wöchentliche Grenze anstelle einer Höchstarbeitszeit. Puh. Flexibilisierung ist immer eine gute Sache, aber dem Fachkräftemangel wird das nur ein bisschen beikommen. Für einige Arbeitnehmer:innen wird’s dann passabler, insgesamt mehr Stunden zu arbeiten, weil sie sie flexibler einrichten können, aber der große Wurf ist das nicht.
Also, Christian, wo steckt der (frei nach Olaf Scholz) Doppelwumms gegen den Fachkräftemangel? Ich gebe mich inzwischen ja sogar mit einem Einfachwumms zufrieden, Hauptsache, wir machen mal überhaupt was.
Es gibt doch so viele Hebel: Einkommenssteuern, Zuwanderung, Frauenerwerbstätigkeit, Weiterbildungen, etc. pp. – warum ist nichts davon in Lindners “Wirtschaftswende” anzutreffen?
Ohne Fachkräfte bringen uns auch geringere Unternehmenssteuern nix, weil Firmen beim Kapazitätensteigern direkt in eine Wand laufen. Ohne Fachkräfte hilft uns auch der CO2-Zertifikatehandel nicht, weil Firmen die Talente fehlen, um sich grüner aufzustellen.
Mich macht das völlig verrückt. Und am Ende beklagen wir uns alle darüber, dass die Dinge nicht vorankommen und tun ganz überrascht.
Vielleicht wäre der Koalitionsbruch samt Neuwahlen ja gar nichts verkehrtes. Dann könnte eine neue Regierung sich darin üben, über den Fachkräftemangel zu schimpfen, während sie nichts dagegen unternimmt.