"In Deutschland wird so viel gearbeitet wie noch nie" - ist der Fachkräftemangel also gelöst?
Entschuldigt, das bisschen Sarkasmus konnte ich mir nicht verkneifen. Die Schlagzeile stammt von Spiegel Online und bezieht sich auf eine DIW Studie. Diese zeigt folgendes:
- 2023 arbeiteten die abhängig Beschäftigten in Deutschland kollektiv 55 Milliarden Stunden
- Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung und liegt rund 5,8% höher als damals
- ... sowie 17% höher als zum Tiefpunkt 2005 mit 47 Milliarden Stunden
Gar nicht übel, nicht wahr? Ist es tatsächlich erst einmal. Mehr Arbeit tut uns gut, um unser Wohlstandsniveau zu halten, denn der Fachkräftemangel bleibt Realität. Zwei kleine Einschränkungen sind aber wichtig:
- Erstens: Wenn wir Selbstständige mit einrechnen, kommen wir auf 61 Milliarden Stunden und das ist kein Rekord mehr
- Zweitens und deutlich wichtiger: Die Zahl der Beschäftigten ist seit 1991 um ganze 18% gestiegen, allein gegenüber 2022 um 0,9%!
Die höhere Beschäftigungszahl ist per se eine gute Sache. Doch die Statistik hält eben nicht mehr dafür her, zu zeigen, dass wir im Schnitt mehr arbeiten als früher. Es gibt einfach mehr von uns. Der Hauptgrund ist die höhere Erwerbsquote unter Frauen, doch auch die kräftige Migration im letzten Jahrzehnt.
Und dann muss man natürlich auch festhalten, dass mehr Menschen im Land (+5,5% seit 1991) auch eine höhere Güter- und Dienstleistungsnachfrage bedeuten. Wenn wir 5,8% mehr arbeiten als 1991, dann halten wir damit rein rechnerisch einfach das Niveau der "Arbeitsstunden pro Verbraucher" fast konstant, auch wenn das zugegebenermaßen keine ganz saubere volkswirtschaftliche Rechnung ist. Der Kern bleibt aber bestehen: Unsere rekordträchtige Gesamtarbeitszeit unter abhängig Beschäftigten ist in Anbetracht einer rekordhohen Bevölkerung eher Hygienefaktor als Grund zum Applaus.
Am wichtigsten ist für mich an der Meldung, dass sie noch einmal zeigt, was für ein großer Hebel die Frauenerwerbsquote für den Fachkräftemangel darstellt. Sie ist der größte Treiber hinter dem Rekordwert. Warum machen wir da nicht einfach weiter?