"Have Germans Forgotten Their Famous Work Ethic?", fragt eine Schlagzeile von Bloomberg
Ich finde es immer besonders spannend, zu sehen, wie das Ausland über uns denkt und schreibt und analysiert. Oft fehlt ein bisschen Nuance und einiges an Detail, aber ausgerechnet der reduziertere Blick aus der Vogelperspektive kann oft etwas erhellendes haben. Und mal etwas von außen zu hören, hilft ohnehin.
Der Bloomberg-Artikel, vom Europa-Kolumnisten Chris Bryant, macht schnell klar, dass er in die richtige Richtung geht. "Deutschland ist nicht arbeitsscheu, doch es muss Wege finden, Frauen und älteren Menschen dabei zu helfen, mehr zu arbeiten." Genau ins Schwarze!
Die Hälfte aller Frauen in Deutschland arbeitet in Teilzeit, gegenüber 13% der Männer. Ein ordentlicher Anteil der Frauen würde aber durchaus mehr arbeiten wollen, findet den Einstieg aber schwierig, genau genommen 15%. Wenn wir das kurz etwas unvorsichtig auf die Teilzeitquote umwälzen, so wünscht sich ein Drittel der in Teilzeit arbeitenden Frauen, länger arbeiten zu können (Männer: <10%).
Deutschland muss also Wege finden, jenen Frauen, die länger arbeiten wollen, dies zu ermöglichen; und den übrigen Männern und Frauen in Teilzeit klare Anreize zu setzen, um ihre Stunden aufzustocken. Oder wir sollten zumindest die Anreize dagegen abbauen: Das Ehegattensplitting macht es steuerlich attraktiv, weniger zu arbeiten; der aktuelle Aufbau unseres progressiven Abgabensystems ebenso.
Und in Anbetracht unseres demografischen Problems müssen wir selbstverständlich auch zusehen, dass wir ältere Menschen besser in den Arbeitsmarkt integriert bekommen. Einmal erneut: Wer länger arbeiten will, sollte das unbürokratisch und ohne Stigma tun können; für alle anderen sollten wir zumindest vorsichtig mit Anreizen sein, frühzeitig mit dem Arbeiten aufzuhören. Die Rente mit 63 war, bei allem Respekt, keine gute Idee.
Ich schätze an dem Artikel, dass er eben nicht einfach resümiert, dass Deutsche arbeitsfaul geworden seien. Dass die Ursache des Fachkräftemangels in "Faulheit" zu suchen sei, ist eine halbgare und, nun ja, faule Erklärung. Es gibt einfach einige strukturelle Stellschrauben, an denen wir schleunigst drehen müssen. Dann ist die "famous work ethic" schnell wieder erkennbar.