Die russische Zentralbank erhöht den Leitzins, um hohem Inflationsdruck beizukommen. Der Grund? Ein Fachkräftemangel auf Adrenalin.
Unser Fachkräftemangel ist schlimm? Na, dann schau mal auf jenen in Russland. Hinter einer glorreichen Arbeitslosenquote von nur 2,4% - der mit Abstand niedrigsten in der Geschichte des Landes - verbirgt sich eine Wirtschaft, welche extrem am Kapazitätslimit operiert.
Es gibt drei große Gründe, warum die Arbeitslosigkeit so niedrig ist, doch sie lassen sich alle unter “Fachkräftemangel” subsumieren:
- Der russische Staat investiert extrem aktiv in die Rüstungsbranche, wodurch ein hoher Arbeitskräftebedarf entsteht
- Knapp 1 Million junge Russen ist im Zuge des Kriegsausbruchs und der ersten Mobilisierungswelle aus dem Land geflohen, auch wenn vermutlich ein Teil davon inzwischen zurückgekehrt ist
- Wohl eine ähnlich große Zahl ist mit dem Militär involviert
Viel Nachfrage bei weniger Angebot, also. Die Folge ist besagte (zu) niedrige Arbeitslosigkeit und eine Produktion am Kapazitätslimit.
Damit geht natürlicherweise auf eine hohe Inflationsdynamik einher. Denn wenn die Kapazitäten zum Limit werden, kann nicht so schnell mehr produziert werden, sondern es werden die Preise gesteigert. Und der Fachkräftemangel bedeutet, dass Gehälter steigen - wie wir es auch in Russland mehrere Quartale beobachten konnten. Steigende Gehälter übersetzen sich gerne in höhere Preise.
Resultat: Die Inflation in Russland liegt mit knapp 9% mehr als doppelt so hoch, wie sie sein sollte. Und auch die Inflationserwartungen in der Bevölkerung sind hoch.
Also hat die Zentralbank jetzt mit einer Leitzinssteigerung dagegen gesteuert, von 18% auf 19%. Sie hat offenkundig Sorge, dass die Inflation davongallopiert und kühlt lieber prophylaktisch die Wirtschaft herunter. Der (selbstverschuldete) Fachkräftemangel zwingt die Ökonomen in Moskau zu komplexen Balanceakten.
Russland ist ein extremes und derzeit sehr ungewöhnliches Beispiel, aber im Kern steht es für genau das, was uns auch erwartet: Lassen wir den Fachkräftemangel existieren oder sich noch verschlimmern, steigen die Personalkosten und das übersetzt sich in Inflation und eine wacklige makroökonomische Lage. Plus, teures Personal trifft unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit, welche gerade für ein Exportland wie Deutschland äußerst wichtig ist.
Also: Lasst uns lieber auf den Fachkräftemangel verzichten, indem wir kräftig dagegen steuern.